So 16 Dez 2007
Auf dem Flur des Gerichts in der türkischen Touristenhochburg Antalya fließen am Freitag Tränen der Erleichterung. Der Vater von Marco und das deutsch-türkische Verteidigerteam fallen sich in die Arme, denn auch für die türkischen Richter ist nach acht Monaten Untersuchungshaft des jugendlichen Angeklagten die Schmerzgrenze erreicht. Weil der Prozess sich noch über Monate hinziehen wird, ordnen sie ein Ende der Haft an. Mehr noch: Zehn Tage vor Weihnachten darf Marco nach Hause fliegen. Erst in dreieinhalb Monaten soll das Verfahren fortgesetzt werden.
«Von mir werden sie nichts hören außer: Wir sind glücklich», sagt Marcos Vater. Er will sich mit Hinweis auf die Fortsetzung des Verfahrens nicht zu Details der Verhandlung äußern. «Ich bin selber halber Jurist», sagt er. Die Anwälte beraten sich kurz und wollen dann vor die Presse treten. Doch der Andrang ist schnell so groß, dass sie vom Vorplatz des Gerichts aus erst den Rückzug in das Gebäude antreten. Nach fast fluchtartigen Szenen brausen sie dann in einem Auto davon.
Charlottes Anwalt kündigt Rechtsmittel an
Enttäuscht ist der Anwalt des mutmaßlichen Opfers Charlotte, Ömer Aycan. Er hat Rechtsmittel gegen die Freilassung angekündigt. Auch deswegen rechnet am Freitag in Antalya niemand damit, dass Marco länger als unbedingt nötig in der Türkei bleiben sollte. Das Verfahren, das zuletzt auch die deutsch-türkischen Beziehungen politisch immer mehr belastete, soll nun mit weniger Emotionen und ohne den Druck internationaler Kritik fortgesetzt werden.
Am Donnerstag und Freitag hatte sich noch der aus der Türkei stammende SPD-Europaabgeordnete und Touristikunternehmer Vural Öger in den Fall eingeschaltet. Er tauchte im Gericht auf und führte dort Gespräche. Überraschend hatte er Marco in der Haft besucht und dann einem Journalisten gesagt, Marco habe rote Wangen und etwas an Gewicht zugelegt. Der Junge habe mit einem Gefängniswärter in türkischer Sprache gesprochen. Die deutschen Anwälte waren verärgert über diese Erklärung.
Einfluss auf deutsch-türkische Beziehungen
Tourismusexperten, Öger vorneweg, hatten die Türkei vor den Folgen einer fortdauernden Untersuchungshaft für Marco gewarnt. Schließlich rechne das Land in der kommenden Saison wieder mit mehreren Millionen Touristen aus Deutschland. So hoffen viele an der türkischen Mittelmeerküste, dass im neuen Jahr mit der Frühlingsonne auch wieder unbeschwerte Heiterkeit in die deutsch-türkischen Beziehungen einkehrt. Die tragische Zuspitzung des verunglückten Urlaubsflirts von Marco und Charlotte aus den Osterferien 2007 möge dann möglichst vergessen sein.
Denn was genau passierte, am 11. April dieses Jahres im Badeort Side, ist auch am Freitag weiter unklar. Marco sagte aus, die 13- jährige Britin Charlotte habe sich als 15-jährig ausgegeben und mit ihm geflirtet. Dabei sei es in ihrem Hotelzimmer auch zu Zärtlichkeiten gekommen. Charlotte hingegen wirft dem Schüler sexuelle Belästigung vor; ihre Mutter erstattete umgehend Anzeige, und Marco wurde noch an der Rezeption seines Hotels festgenommen und ins Gefängnis gesteckt.
Quelle: Textteile aus N24
Dezember 16th, 2007 at 07:56
Anwälte der Gegenseite wollen Beschwerde einlegen
„Unserer Meinung nach sollte er während der Dauer des Prozesses in Haft bleiben“, sagte Aycan. Dies erfordere die Beweislage. Die Familie des Mädchens wolle, dass Marco für seine Tat bezahle, sagte Aycan.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich erfreut über die Freilassung von Marco W. aus türkischer Untersuchungshaft geäußert. „Ich glaube, mit ihm freuen sich viele Menschen in Deutschland“, fügte sie nach dem EU-Gipfel am Freitag in Brüssel hinzu. Es sei gut, dass Marco nun zu seiner Familie könne. Ähnlich äußerte sich Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU).
Außerdem sagte er: „Die Haftverschonung war überfällig, denn die Dauer der Untersuchungshaft ist unverhältnismäßig.“ Die nächsten Monate müssten genutzt werden, um zu entscheiden, ob der Prozess in Deutschland fortgeführt werden könne. „Wir hoffen auf ein faires und schnelles Verfahren.“, so Wulff. Politik dürfe sich nicht in Angelegenheiten der Justiz einmischen, sagte er.